Definition
Beim Alagille-Syndrom (nach dem französischen Erstbeschreiber benannt) handelt es sich um ein erbliches Leiden (autosomal dominanter Erbgang), bei dem ein sogenanntes Differenzierungsprotein für verschiedene Gewebe des Körpers defekt ist. Es können somit viele verschiedene Organe betroffen sein und bei einigen Patienten kommt es auch zu einer Leberbeteiligung. Der Ausprägungsgrad ist bei betroffenen Patienten sehr variabel und viele haben gar keine oder nur gering ausgeprägte klinische Symptome.
Symptomatik
Sollte im Rahmen des Alagille-Syndroms die Leber betroffen sein, so können folgende Symptome vorkommen:
- Juckreiz
- Minderwuchs
- Ikterus (Gelbsucht)
- Pfortaderhochdruck (venöse Umgehungskreisläufe, Milzvergrößerung etc.)
- Hypercholesterinämie mit Cholesterinablagerungen in der Haut (Xanthome)
Weitere Befunde können beim Alagille-Syndrom vorliegen:
- charakteristische Gesichtszüge (große Stirn, weit auseinanderliegende und tiefliegende Augen, schmales Kinn etc.)
- Herzfehler (periphere Pulmonalstenose)
- Augenfehlbildung (Embryotoxon posterior)
- Nierenerkrankung
- Gefäßmissbildungen
- Wirbelkörperfehlbildungen („Schmetterlingswirbel“)
Diagnosestellung
Besteht der Verdacht, dass eine Lebererkrankung durch das Alagille-Syndrom verursacht ist, so äußern die Spezialisten den Verdacht bereits aufgrund des typischen Aussehens der Kinder. Begleitende Untersuchungen (Herzultraschall, Röntgen der Wirbelsäule, Augenärztliche Untersuchung etc.) dienen zur Feststellung weiterer Abnormalitäten. In ca. 70% der Fälle kann eine genetische Untersuchung die Diagnose beweisen, wohingegen die Ergebnisse der Leberbiopsie richtungsweisend, aber oft unspezifisch sind. Dieses gilt ebenso für die Laborbefunde, da diese zwar den Schweregrad einer Lebererkrankung widerspiegeln, aber meist nicht für ein spezielles Krankheitsbild beweisend sind. Das Ausmaß des möglichen Leberumbaus mit Ausbildung von venösen Umgehungskreisläufen kann hervorragend durch eine Ultraschalluntersuchung von Leber und Milz bzw. der entsprechenden Gefäße erfolgen.
Bei der Mehrzahl der Patienten wird die Diagnose aufgrund charakteristischer klinischer Aspekte und durch das Vorhandensein typischer Begleiterkrankungen gestellt.
Therapie
Die Mehrzahl vom Alagille-Syndrom betroffener Patienten benötigt keine spezielle Therapie. Je nach Organbeteiligung kann dieses jedoch notwendig sein. Bezüglich der Leberbeteiligung sollten betroffene Kinder und Jugendliche in regelmäßigen Abständen in einer spezialisierten Klinik vorgestellt werden, um ein Fortschreiten der Lebererkrankung rechtzeitig festzustellen. Bei einigen Patienten kann es notwendig werden, Vitaminpräparate oder spezielle diätetische Empfehlungen auszusprechen. Bei nachgewiesenem Gallestau (Cholestase) wird häufig die Einnahme von Ursodesoxycholsäure (Ursofalk®) empfohlen, die den Gallefluss verbessert und die Leberzellen vor schädigenden Substanzen schützt.
Eine Lebertransplantation hingegen sollte immer dann geplant werden, wenn folgende Symptome vorliegen:
- zunehmender Leberumbau
- zunehmender und medikamentös nicht mehr zu beeinflussender Juckreiz
- ausgeprägte Hypercholesterinämie mit Xanthombildung
- ausgeprägter Minderwuchs
Sollte eine Lebertransplantation bei einem Kind mit Alagille-Syndrom notwendig werden, so sind aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes einige Besonderheiten zu beachten, die in einem ausführlichen Beratungsgespräch zwischen den Leberspezialisten und den Eltern diskutiert werden müssen.
Prof. Dr. med. Rainer Ganschow