Definition Alagille-Syndrom
Beim Alagille-Syndrom (nach dem französischen Erstbeschreiber benannt) handelt es sich um ein erbliches Leiden (autosomal dominanter Erbgang), bei dem ein sogenanntes Differenzierungsprotein für verschiedene Gewebe des Körpers defekt ist (betroffene Gene: JAG1 oder deutlich seltener NOTCH2). Es können somit viele verschiedene Organe betroffen sein und bei einigen Patienten kommt es auch zu einer Leberbeteiligung. Der Ausprägungsgrad ist bei den betroffenen Patienten sehr variabel und viele haben gar keine oder nur gering ausgeprägte klinische Symptome. Die Inzidenz beträgt ca. 1 auf 70.000 Lebendgeborene.
Symptomatik
Sollte im Rahmen des Alagille-Syndroms die Leber betroffen sein, so können folgende Symptome/Befunde vorkommen:
- Juckreiz
- Ikterus (Gelbsucht)
- Gallengangshypoplasie (Achtung: Kann bei Säuglingen zur Fehldiagnose, v. a. Gallengangsatresie führen)
- Pfortaderhochdruck (venöse Umgehungskreisläufe, Milzvergrößerung )
- Hypercholesterinämie mit Cholesterinablagerungen in der Haut (Xanthome)
Weitere Befunde können beim Alagille-Syndrom vorliegen, so z. B.:
- charakteristische Gesichtszüge (große Stirn, weit auseinanderliegende und tiefliegende Augen, schmales Kinn etc.)
- Herzfehler (periphere Pulmonalstenose)
- Augenfehlbildung (Embryotoxon posterior)
- Nierenerkrankung
- Gefäßmissbildungen
- Wirbelkörperfehlbildungen („Schmetterlingswirbel“)
- Minderwuchs
- weitere
Diagnosestellung
Besteht der Verdacht, dass eine Lebererkrankung durch das Alagille-Syndrom verursacht ist, so können Spezialisten den Verdacht bereits aufgrund des typischen Aussehens der Kinder äußern, wobei viele betroffene Säuglinge oftmals noch nicht „typisch“ aussehen. Begleitende Untersuchungen (Ultraschall vom Bauch und Herz, Röntgen der Wirbelsäule, augenärztliche Untersuchung etc.) dienen zur Feststellung weiterer Abnormalitäten. Unterstützt werden sollte die klinische Verdachtsdiagnose immer mittels einer genetischen Diagnostik. Für die Diagnostik ergänzend wird oftmals eine Leberbiopsie durchgeführt, die zusätzliche Informationen erbringen kann.
Laborbefunde spiegeln den Schweregrad der Leberbeteiligung wider, wobei diese meist nicht hinweisend auf eine bestimmte Lebererkrankung sind, so wie auch beim Alagille-Syndrom. Das Ausmaß des möglichen Leberumbaus mit Ausbildung von venösen Umgehungskreisläufen kann hervorragend durch eine Ultraschalluntersuchung von Leber und Milz bzw. der entsprechenden Gefäße erfolgen. Die „Festigkeit/Steifheit“ der Leber kann sonographisch mit der sogenannten Elastographie bzw. dem sog. Fibroscan abgeschätzt werden.
Therapie bei Alagille-Syndrom
Die Mehrzahl der vom Alagille-Syndrom betroffenen Patienten benötigt keine spezielle Therapie. Je nach Organbeteiligung kann dies jedoch notwendig sein. Bezüglich der Leberbeteiligung sollten betroffene Kinder und Jugendliche in regelmäßigen Abständen in einer spezialisierten Klinik vorgestellt werden, um ein Fortschreiten der Lebererkrankung rechtzeitig festzustellen. Bei einigen Patienten kann es notwendig werden, Vitaminpräparate oder spezielle diätetische Empfehlungen auszusprechen. Bei nachgewiesenem Gallestau (Cholestase) wird häufig die Einnahme von Ursodesoxycholsäure (Ursofalk®) empfohlen, die den Gallefluss verbessert und die Leberzellen vor schädigenden Substanzen schützt. Eine operative externe Ableitung der Gallenflüssigkeit (biliäre Diversion) kann bei einigen Patienten helfen.
Nicht selten haben betroffene Kinder und Jugendliche einen leberbedingten Juckreiz, der die Lebensqualität deutlich einschränken kann und mit Erhöhung der Gallensäuren im Blut einhergeht. Herkömmliche Medikamente, wie z. B. Antihistaminika, Phenobarbital, Naltrexon etc. erbringen meist keine entscheidende Linderung. Seit Januar 2023 ist aber ein neues Medikament (Maralixibat; Livmarli®) zugelassen, welches erstmalig sehr effektiv den Juckreiz lindern kann. Der sog. IBAT-Inhibitor blockiert die Aufnahme der Gallensäuren im Darm.
Einige Kinder benötigen bei fortgeschrittenem Leberumbau (Fibrose/Zirrhose) im Laufe der Zeit eine Lebertransplantation (Ltx), wobei die Ergebnisse nach Ltx heutzutage exzellent sind.
Sollte eine Lebertransplantation bei einem Kind mit Alagille-Syndrom notwendig werden, so sind aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes einige Besonderheiten zu beachten, die in einem ausführlichen Beratungsgespräch zwischen den Leberspezialisten und den Eltern diskutiert werden müssen.
Beim Alagille-Syndrom ist es wegen der möglichen Beteiligung verschiedener Organe/Organsysteme von besonderer Bedeutung, dass betroffene Kinder und Jugendliche von einem multiprofessionellem Team betreut werden.
Prof. Dr. med. Rainer Ganschow
Universitätsklinikum Bonn
Kinder-Video zum Alagille-Syndrom
Hier könnt ihr euch ein Kinder-Video zum Alagille-Syndrom anschauen. Es richtet sich ganz besonders an betroffene Kinder ab 8 Jahren, die mehr über ihre Krankheit und den Umgang damit lernen möchten. Auch Geschwistern oder Freunden von Alagille-Kindern kann es helfen, chronisch kranke Kinder besser zu verstehen.