Die Gallengangsatresie gehört zu den seltenen Lebererkrankungen bei Kindern. Gleichzeitig ist sie einer der häufigsten Gründe für eine Lebertransplantation bei Säuglingen und Kindern. Hier haben wir alle wichtigen Informationen zu diesem Krankheitsbild zusammengestellt.
Anatomie der Gallengänge
Die Gallengänge sind wie kleine Kanäle in der Leber, die Galle transportieren. Die Leber produziert die Galle. Diese beinhaltet unter anderem Stoffe, die aus dem Blut entfernt wurden. Hierzu gehört z.B. ein Abbauprodukt des Blutfarbstoffes, das „direkte Bilirubin“. Aus der Leber fließt die Galle durch dünnere Röhrchen, die „intrahepatischen Gallengänge“ aus der Leber heraus in Richtung der „extrahepatischen Gallengänge“. Diese bilden einen Weg aus der Leber. Der Hauptgallengang, auch gemeinsamer Gallengang (DHC) genannt, ist der Ort, an dem sich die extrahepatischen Gallengänge vereinen. Hier kommt auch die Galle aus der Gallenblase hinzu, einem Organ, das Galle speichert, wenn sie nicht benötigt wird. Der gemeinsame Gallengang führt dann in den Zwölffingerdarm, den Anfangsteil des Dünndarms. Im Darm spielt die Galle (vor allem durch die enthaltenen Gallensäuren) eine entscheidende Rolle bei der Verdauung, insbesondere von Fetten. Galle hilft, Fette in kleinere Teile zu zerlegen, damit der Körper sie besser aufnehmen kann.
Die Gallengangsatresie
Bei der Gallengangsatresie (GGAT) sind die Gallengänge nicht bzw. zu klein (hypoplastisch) angelegt, oder verengen sich kurz nach der Geburt. Das verhindert den Abfluss der Galle aus der Leber, was mehrere Probleme zur Folge haben kann. Die Ursachen der GGAT sind weiterhin nicht geklärt, es wird vermutet, dass genetische und Umweltfaktoren eine Rolle spielen können. Sie tritt ca. bei einem von 15.000 Neugeborenen auf.
Klinik
Die Neugeborenen sind klinisch meist wenig beeinträchtigt. Klassischer Weise fällt durch die unzureichende Ausscheidung des Bilirubins eine Gelbfärbung der Haut und Augen (Ikterus) auf. Durch die mangelnde Ausscheidung der Gallensäuren in den Darm wird der Stuhl der Neugeborenen heller und kann fast weißlich erscheinen (sog. „entfärbter“ Stuhl).
Stuhlfarbkarte aus der Früherkennung der Gallengangsatresie Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschuss.
Diagnostik der Gallengangsatresie
Jedes Neugeborene mit einer Gelbsucht, die länger als 14 Tage besteht (Ikterus prolongatus) sollte auf eine Gallengangsatresie untersucht werden. Zudem sollte jedes Neugeborene mit entfärbten Stühlen sollte ebenfalls untersucht werden, da dies das klassische Symptom einer GGAT ist
Als erstes erfolgt eine Blutentnahme, um das Bilirubin (vor allem das direkte) zu bestimmen. Überschreitet dies einen bestimmten Wert, soll Kontakt zu einem/r Kindergastroenterologen/in aufgenommen werden, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Diese/r kann weitere Blutuntersuchungen durchführen. Hohe Leberwerte und eine erhöhte gamma-GT (ein Wert der Gallengänge) und insbesondere in einem kurzen Zeitraum weiter ansteigende Werte können auf eine Gallengansatresie hinweisen.
Kasai-Operation
Zusätzlich erfolgt eine Ultraschalluntersuchung des Bauches, um die Gallenblase darzustellen. Ist diese vorhanden, ist eine Gallengangsatresie sehr unwahrscheinlich. Das Kind sollte vorher mindestens vier Stunden nüchtern sein, damit die Gallenblase gefüllt ist. Auch die Leber kann indirekte Hinweise auf eine GGAT geben. Zeitgleich kann nach Komplikation einer Leberschädigung (z.B. Milzvergrößerung) gescreent werden.
Verhärtet sich der Verdacht auf eine GGAT, ist ebenso eine Darstellung der Gallengänge empfohlen, zum Beispiel im MRT (MRCP). Auch eine direkte Darstellung, bei der in einer Operation die Gallengänge direkt dargestellt werden können, ist möglich. Dabei kann man eine Probe aus der Leber zu entnehmen (Biopsie), die weitere Informationen zum Ausmaß der Leberschädigung liefern kann. Sollte sich die GGAT bestätigen kann unmittelbar im Anschluss eine „Kasai-Operation“ durchgeführt werden.
Die operative Darstellung der Gallengänge sollte nur in Zentren durchgeführt werden, die im unmittelbaren Anschluss die Kasai-Operation durchführen können. Dies sind in der Regel Kliniken, die auch auf die Lebertransplantation bei Neugeborenen spezialisiert sind.
Therapie bei Gallengangsatresie
Bereits bei Verdacht auf eine GGAT sollten die Kinder umgehend Vitamin K erhalten, um so die gefürchtete Komplikation einer Blutungsproblematik zu verhindern.
Wird die Diagnose der GGAT rechtzeitig gestellt, kann die Kasai-Operation unter Umständen den Galleabfluss aus der Leber verbessern und so das voranschreiten einer Leberschädigung verzögern oder verhindern.
Sollte die Diagnose zu spät gestellt werden, oder die Kasai-Operation nicht den gewünschten Erfolg erzielen (z.B. wenn auch in der Leber unzureichend Gallengänge angelegt sind), müssen Kinder mit GGAT oftmals eine Lebertransplantation erhalten. Die Prognose nach einer Lebertransplantation ist jedoch sehr gut.
Insgesamt ist es wichtig zu betonen, dass die Betreuung von Kindern mit GGAT oder mit Verdacht auf GGAT in die Hände von Spezialisten gehört. Aufgrund des raschen Voranschreitens nach der Geburt sind oftmals zeitkritische, teils auch invasive, diagnostische Schritte notwendig. Diese einzuordnen benötigt eine ausreichende Erfahrung.
Dr. med. Alexander Weigert
Prof. Dr. med. Rainer Ganschow