Stoffwechselerkrankungen
Stoffwechselerkrankungen sind Erkrankungen, die oft das zentrale Stoffwechselorgan, die Leber, betreffen. Einzelne „Enzymdefekte“ in der Leber können dazu führen, dass aufgrund im Blut ansteigender toxischer Metabolite verschiedene andere Organe (Herz, Nieren, Gehirn etc.) geschädigt werden.
Einige der behandelbaren Stoffwechselerkrankungen werden durch das Neugeborenen-Screening (Guthrie-Test) erfasst, so z. B. die Mukoviszidose (Cystische Fibrose), die Galaktosämie oder die angeborene Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose).
Gelbsucht bei Neugeborenen: Hinweis auf Stoffwechselerkrankung
Ein Neugeborenenikterus (Gelbsucht) kann Hinweis auf das Vorliegen einer leberbedingten Stoffwechselerkrankung sein. Am häufigsten ist hier der Alpha-1-Antitrypsinmangel zu nennen. Es können aber auch sogenannte Familiäre Progressive Intrahepatische Cholestasesyndrome (PFIC) vorliegen, ein Alagille-Syndrom oder andere seltene Erkrankungen. Besteht bei einem Säugling eine ausgeprägte oder lange dauernde Gelbsucht (Ikterus prolongatus: Die Gelbsucht besteht noch nach zwei Lebenswochen), sollte eine venöse Blutentnahme erwogen werden.
Bereits im Neugeborenenalter können so genannte Harnstoffzyklusdefekte sehr gefährlich werden, z. B. bei einem schweren OTC-Mangel. Betroffene Säuglinge können sehr hohe, das Gehirn schädigenden Ammoniak-Werte haben und brauchen eine sofortige Diät und eine Hämodialyse. Klinisch können die Kinder schon in den ersten Lebenstagen auffallen. Mildere Formen von Harnstoffzyklusstörungen werden oftmals erst im Kleinkindes- oder sogar Jugendalter diagnostiziert.
Beim Morbus Wilson kann der Körper Kupfer nicht ausreichend ausscheiden, so dass es in allen Geweben akkumuliert. Typischerweise manifestiert sich ein Morbus Wilson am ehesten an der Leber und im Jugendalter, nicht selten klinisch als akutes Leberversagen. Eine medikamentöse Therapie ist bei frühzeitiger Diagnostik sehr erfolgreich.
Bei der primären Hyperoxalurie (Oxalose) werden aufgrund eines Defektes in der Leber auch die Nieren und andere Organe geschädigt. Die Leber selbst kann, aber muss nicht schwer betroffen sein. Einige der betroffenen Kinder brauchen eine Nieren- und/oder Lebertransplantation.
Lebertransplantation bei Kindern mit Stoffwechselerkrankungen
Therapeutisch können, je nach Erkrankung, bestimmte diätetische Maßnahmen, Medikamente, Dialyseverfahren etc. eingesetzt werden (konservative Therapie). Alternativ besteht die Möglichkeit der Lebertransplantation (Ltx), die im Idealfall das Kind komplett heilt. Auf der anderen Seite handelt es sich um eine große Operation und trotz der hervorragenden Ergebnisse der pädiatrischen Ltx kann es selten Komplikationen geben. Nach wie vor ist eine lebenslange (wenn auch niedrige) immunsuppressive Therapie notwendig. Die Empfehlung, ob eine Lebertransplantation durchgeführt werden sollte, ist extrem individuell zu treffen und eine sehr große Herausforderung für Familien und das Ärzteteam. Gerade wenn keine Leberzirrhose vorliegt und konservative alternative Therapieoptionen zur Verfügung stehen, ist die Beratung hoch komplex. Auf der anderen Seite können „Entgleisungen“ im Rahmen der jahrelangen konservativen Therapie, z. B. bei Infektionen, dem betroffenen Kind auch langfristig schaden.
Kinder und Jugendliche mit Stoffwechselerkrankungen, die die Leber betreffen, sollten nur in spezialisierten Zentren mit Stoffwechsel- und Leberabteilung behandelt werden, um eine möglichst optimale Betreuung zu gewährleisten.
Prof. Dr. med. Rainer Ganschow
Universitätsklinikum Bonn